Bosch Performance Line CX Gen4 2020 im Test

So fährt sich der neue Motor aus dem Hause Bosch

Bereits im Juni präsentierte Bosch eBike Systems der Öffentlichkeit den lang ersehnten, brandneuen Performance CX Mittelmotor. Bereits seit zwei Jahren gab es immer wieder Spekulationen um einen neuen, leistungsstarken Mittelmotor von Bosch, welcher den mittlerweile doch etwas in die Jahre gekommenen und technisch nicht mehr aktuellen Performance CX ersetzten sollte. Mit der vierten Antriebsgeneration präsentieren uns die Schwaben nun endlich einen Motor, welcher klein, leicht, sowie leistungsstark ist und damit mindestens die Lücke zu den asiatischen Konkurrenzprodukten schließt. Zeitnah hatte ich nun die Möglichkeit den neuen Antrieb in den e-Mountainbikes Focus Thron² und Jam² auf den Trails im Stuttgarter Westen einem ersten Fahreindruck zu unterziehen.

Inhaltsverzeichnis

Voraussichtliche Lesedauer: 12 Minuten

Historie von Bosch

Erstmal in Erscheinung trat Bosch 2010 mit dem seiner Zeit revolutionären Classic+ Mittelmotor. Dieser Antrieb war es, der den ganzen e-MTB Boom erst so richtig in Fahrt brachte, da dieser leistungsstark, seiner Zeit schlank und mit wenig Aufwand gut in ein Bike zu integrieren war. Hinzu kam die Idee eines bayrischen Bike-Herstellers den Classic+ Antrieb entgegen seiner ursprünglich gedachten hängenden Positionierung einfach in den Rahmen einzudrehen, womit die Bodenfreiheit geschaffen werden konnte, welche ein Fahrrad für den Einsatz im Gelände benötigt.

Damit war der Weg für den e-Mountainbikesport geebnet, welcher für den Mountainbikesport im Allgemeinen eine Revolution bedeutete und den Fahrradhändlern bis heute „goldene Zeiten“ beschert.


Bereits 2013 kam dann schon der erste, komplett neue Bosch Mittelmotor auf den Markt – das legendäre Bosch Ei, die Active- und Performance Line. Dieser Antrieb kam  mit einer weiteren Leistungssteigerung daher und hatte eine spezielle Konstruktion bei welcher sich das Kettenblatt 2,5x schneller drehte als der Pedaleur die Tretlagerachse in einer Umdrehung bewegte. Daher kam hier ein kleines Kettenblatt zum Einsatz, was im Wesentlichen zum äußeren Erkennungsmerkmal des neuen Bosch Antriebs wurde.

Nahaufnahme eines Bosch Motors
Eingebauter Bosch Motor
Bosch Motor am e-Mountainbike


Auf der ISPO Bike 2013 in München gab es den neuen Bosch Antrieb bereits vor der offiziellen Vorstellung zu sehen und zu fahren. 

Der ursprüngliche Performance Antrieb war dann schließlich die Basis für den ersten Performance CX Mittelmotor. Dieser wurde 2015 zunächst in einer optisch modernisierten Variante auf dem jährlich stattfindenden Presse-Event präsentiert. Viele e-Mountainbike Hersteller, fanden die Ei-Form wenig Attraktiv im Erscheinungsbild eines sportlichen Bikes, zudem schränkte das Runde Cover die Möglichkeiten einer modernen Rahmenarchitektur stark ein.

Hier war es ein bekannter Schweizer e-Bike Hersteller, welche den ersten Performance CX in einem komplett neu konstruierten e-MTB unterbrachte und für viel Aufsehen sorgte. 

2016 dann gab es eine leistungsoptimierte Variante des 2015er Performance CX, welche nun klar für den sportlichen Einsatz angeboten und vermarktet wurde. Mit bis zu 300% Unterstützung zur Eigenleistung und einem Drehmoment von 75 Nm ist der Bosch Performance CX Gen4 einer der stärksten Mittelmotoren auf dem Pedelec-Markt. Bis heute hat dieser Antrieb eine große Marktdominanz und einen hohen Verbreitungsgrad vor allem in e-Mountainbikes, ebenso findet man ihn aber auch dort, wo einfach viel Leistung gefragt ist, wie etwa bei Lastenrädern. 

Mit zunehmender Konkurrenz wurde im Laufe der letzten Jahre deutlich, dass der Performance CX in Punkto Gewicht und Baugröße nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist – schließlich basierte dieser Antrieb auf einem Modell aus dem Jahr 2013. Vor allen in den letzten beiden Jahren wartete die e-Mountainbike Szene daher auf einen neuen, sportlich ausgelegten Mittelmotor von Bosch – doch nun ist er da, der Bosch Performance CX 2020 – die vierte Generation des Bosch Mittelmotors.

Bosch Performance Line CX Motor mit großem Kettenblatt

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich die Namensgebung etwas unglücklich finde, da er sich nicht klar vom Vorgänger Modell differenziert. Häufig lese ich vom Bosch CX der vierten Generation, dabei ist es ja streng genommen die zweite Generation der Performance CX Line. Warum nicht einfach eine Bezeichnung wie etwa „Performance Ultra“ oder „Elite CX“  – es würde allen damit sicherlich leichter fallen das zu beschreiben und zu verstehen, was gemeint ist.

Die Optik des Bosch Performance Line CX Gen4

Das optische Erscheinungsbild des neuen 2020 Performance CX hat sich grundlegend geändert. Zunächst einmal fällt natürlich auf, dass der Antrieb deutlich geschrumpft ist. Er bringt nun, dank leichtem Magnesium Gehäuse, nur noch lediglich 2,9 kg auf die Waage – eine Gewichtsersparnis von gut 25% im Vergleich zum Vorgängermodell.

Weiter fallen die großen Kühlrippen am vorderen Ende auf, welche die Oberfläche des Gehäuses vergrößern und so dafür sorgen, die entstehende Wärme schnell vom Motor ableiten zu können. Mit der Gewichtsreduktion wurde natürlich die Masse weniger, welche sonst für ein effizientes Temperaturmanagment sorgte. Das große Kettenblatt, welches quasi wieder 1:1 zur Kurbel Aktivität des Bikers läuft, ist ebenfalls eine optische Veränderung welche ins Auge sticht. Bei etwas genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Tretlagerachse weit in den hinteren Bereich der Antriebseinheit gesetzt wurde. Dies wiederum ermöglicht es den e-MTB Herstellern Bikes so zu gestalten, dass diese in der Bauart nah an ihren verwandten, motorlosen Geschwistern angesiedelt sind.

Rein äußerlich hat der neue 2020er CX also nichts mehr mit dem klassischen CX zu tun.  

Daten des Bosch Performance CX Gen4

Ob diese Zahlen tatsächlich halten, was sie versprechen und in welchem Verhältnis diese zum praktischen Nutzen stehen, ist natürlich immer relativ. Jedoch sind sie für viele Käufer ein wichtiger Anhaltspunkt, weshalb ich hier kurz einige Daten aufliste.

Motorleistung – 250W

max. Drehmoment – 75Nm

max Unterstützung zur Eigenleistung – 340%

Q-Faktor (Breite) – 175mm

Vier aktive Unterstützungsstufen – ECO (60%), TOUR (140%), eMTB (dynamisch 140 – 340%), TURBO 340%.

Gewicht – 2,9kg

e-Mountainbike Fahrer testet Bosch Motor

Der Bosch Performance CX Gen4 in der Praxis

Nun endlich zum wahrscheinlich interessantesten Teil, in dem ich der Frage nachgehe, wie sich der neue Bosch CX denn so fährt. Der alte CX hatte so seine Vor- und Nachteile – was hier sicherlich am meisten störte, ist der große Widerstand beim Pedalerien über 25km/h, sozusagen in dem Bereich wo keine zusätzliche Motorunterstützung vorhanden ist. Im Gegenzug überzeugt der eMTB Modus mit seiner dynamischen und effizienten Leistungsentfaltung bis heute auf ganzer Linie beim Einsatz im anspruchsvollen Gelände.

Auf den ersten Metern hinauf, raus aus dem Stuttgarter Kessel, rein in den Wald lasse ich es zunächst gemütlich angehen.
In der kleinsten Unterstützungsstufe ECO mit 60% zur Eigenleistung pedaliere ich bei einer Trittfrequenz um die 85 Umdrehungen in der Minute mit sportlicher Eigenleistung den Berg hinauf. Der Antrieb vermittelt gefühlt eine sehr natürliche Unterstützung, so dass die Leistungsentfaltung kaum zu spüren ist, da diese sehr harmonisch stattfindet. Lasse ich die Trittfrequenz etwas abfallen, wird das Drehmoment spürbar, in welches ich mich dann etwas hinein fallen lassen kann sobald es steiler wird oder die Kraft in den Beinen nachlässt. Ohne Gangwechsel oder Veränderung der Unterstützungsstufe ist hier der Anstieg mit langsamer Geschwindigkeit und ordentlicher Eigenleistung machbar.

Richtig gut, und dies ist eine große Stärke der Bosch Performance Serie, ist der dynamische eMTB Modus, welcher quasi je nach Anforderung einen Unterstützungsgrad zwischen TOUR (140%) und TURBO (340%) entfaltet. Hier werden sämtliche Sensor-Parameter genutzt um dem Fahrer immer das perfekte Level an Untersützung, sowie eine natürlich und harmonische Kraftentfaltung zu gewährleisten. Steile, verblockte Anstiege sind so sehr leicht zu meistern, da der Antrieb quasi mitdenkt und genau spürt was gefordert ist.

e-Mountainbiker auf Focus e-MTB mit Bosch Motor

Der CX in technsich anspruchsvollen Situationen

So komme ich irgendwann an einen kurzen, steilen Anstieg mit einem 50cm Absatz bergauf! Fahrtechnisch stellt dieser Absatz in dem steilen Bergaufstück eine Herausforderung dar, da sowohl eine aktive Verschiebung der Köperbalance als auch ein sensibles Motormanagement notwendig sind. Um mit Schwung in das Bergaufstück zu kommen, darf der Gang nicht zu groß sein – ich entscheide mich für den dritten auf der 12fach Kassette.

Mit Schwung geht es nun im dynamischen eMTB Modus (Unterstützungsstufe) bei hoher Trittfrequenz jenseits der 110 Umdr./min. in den Hang. Das CX 2020 Aggregat arbeitet ordentlich zu und scheibt mich in die Rampe. Im Steilstück fallen die Geschwindigkeit sowie Trittfrequenz schnell ab, bleiben aber Dank dynamischer Unterstützungsstufe bei etwa 8km/h stabil. Nun zeigt sich was der neue Bosch Antrieb in sensiblen und anspruchsvollen Situationen kann! Ich fahre auf den Absatz zu, kurz anhalten, anvisieren und Maß nehmen, Pedalmanagment checken und dann mit einem kurzen und kraftvollen Druck auf das Pedal das Vorderrad über den Absatz. Parallel dazu wandert der Körperschwerpunkt vom Heck in Richtung Front. Wieder kurzer Stop um das Pedalmanagement zu kontrollieren und um die Heckpartie des e-MTBs ebenfalls über den Absatz zu bekommen. Erneuter Druck auf das Pedal und der Antrieb spricht sofort, aber nicht ungebändigt an und verschafft dem Hinterrad so maximalen Grip. Sobald der Vortrieb einsetzt, wird die Körperbalance wieder etwas mehr zentriert und sofort bin ich schon über den Absatz hinweg.

Vor allem in solchen Situationen zeigt sich das ausgereifte Motormanagment, welche eine Spezialität von Bosch ist. Hier hat das e-Bike Entwicklungsteam mit Bosch-Fahrer Stefan Schlie richtig gute Arbeitet geleistet und diese positive Eigenschaften perfekt auf den neuen Antrieb übertragen. Meiner Einschätzung nach funktioniert kein e-Bike Antrieb auf dem Markt aktuell so harmonisch, kraftvoll und doch sensibel in einem e-Mountainbike wie der neue Bosch Performance CX 2020. Bravo!

Kühlrippen des Bosch Motors

Der neue Bosch – wie wenig Tretwiderstand hat er wirklich?

Ja, dann noch das große Thema mit dem Pedalieren über 25km/h und dem damit verbundenen Tretwiderstand – um es kurz und bündig zu machen, dieses Problem wurde behoben. Bei der Einfahrt auf einen Trail kann ich mit wenigen Kurbelumdrehungen das Bike pfeilschnell und beinahe unbemerkt von der 25km/h “Grenzmauer” weit über diesen Bereich pushen und den Speed so spielend mit in den Trail nehmen.
Insgesamt fährt sich die vierte Generation vom neuen Bosch Antrieb ausgesprochen gut, da dieser seine große Leistung wohldosiert, bei Bedarf dennoch kraftvoll genau auf die geforderte Fahrsituation entfaltet.  

Der Sound des Bosch Performance CX Gen4

Akustisch ist der neue Antrieb durch die Getriebe-Geräusche deutlich auszumachen, hier sollen im Inneren wohl ausschließlich Zahnräder aus Metall zum Einsatz kommen, was die Laufgeräusche erklärt. Kurzum, der Antrieb ist deutlich zu hören, unterscheidet sich zum Vorgängermodell jedoch nicht wesentlich. Spannend wird es hier zu sehen, wie sich die Akustik mit zunehmender Laufleistung verhält. Was neben den eigentlichen Betriebsgeräuschen noch etwas auffällt, ist der schlagende, obenliegende Teil der Kette bei ruppigen Fahrten durch das Gelände. Durch das Aufschlagen auf die Kettenstrebe entstehen hier ordentliche Schlaggeräusche.  

Die Frage der Effizienz bleibt noch offen

Was die Effizienz betrifft lässt sich aktuell noch keine finale Aussage treffen, da Motor und Akku noch nicht unter permanenter Dauerlast, wie es etwa unsere 1.000 Hm Testfahrten verdeutlichen, gefahren werden konnte. Das Gelände rund um Stuttgart ist hier eher ein Wechsel zwischen Auf- und Abfahrten. Jedoch lässt sich feststellen, dass die großen Außentemperaturen von zeitweise über 36°C dem Antrieb unter der höchsten Unterstützungssstufe TURBO (340%) an kurzen Anstiegen mit etwa 250 Hm nichts anhaben konnten. Weder gab es hier Leistungseinbrüche, noch war das Motorgehäuse besonders heiß. Sobald wir ein e-MTB mit dem Bosch Performance CX 2020 im Fuhrpark haben, werden wir unsere Fahrtests am südbadischen Redaktionssitz weiter intensivieren und auf jeden Fall noch eine unserer 1.000 Hm Fahrten machen. Es bleibt also spannend, welchen Gesamteindruck das neue Bosch Aggregat über einen längeren Zeitraum hinterlassen wird. 

Bosch Performance Line CX Gen4 Testbericht im Video

Thumbnail des Bosch Youtube Videos