Liv Intrigue E+: Was kann das All Mountain e-MTB für Frauen?

Liv Testfahrt im Harz

Wie testet man ein e-Mountainbike besser als auf einer Tour quer durch Deutschland? Und genau deswegen haben wir uns aufgemacht, das Intrigue E+ und das Giant Reign E+ (das Reign E+ stellen wir noch separat vor) kurzerhand auf den Heckträger geschmissen und sind losgedüst. Von Köln aus über das Sauerland in den Harz, wo wir die Bikes am Brocken einer harten Probe unterstellt haben, dann weiter nach Thüringen und bis nach Bayern, wo ein kleines Waldstück kurvige und anspruchsvolle Trails mit kleinen Sprüngen und Rampen freigegeben hat.

Inhaltsverzeichnis

Voraussichtliche Lesedauer: 13 Minuten

Welche Art e-MTB  ist das Liv Intrigue E+?

Das Liv Intrigue E+ ist mit 150 mm an der Front und 140 mm Federweg am Heck ein Allmountain e-MTB, das sich aufgrund der gestreckt-aufrechten Sitzposition sowohl für anspruchsvolle Trails, als auch für lange Offroad-Touren sehr gut eignet. Warum ich das Intrigue E+ oben als Alleskönnerin beschrieben habe? Zu diesen Touren- und Trail-Eigenschaften hat das Intrigue E+ eine starke Tendenz zu extremen Abfahrten gezeigt und durch die Kombination von Maestro-Hinterbau und Dämpfer würde ich sogar soweit gehen und dieses Bike als absolut endurofähig bezeichnen. Dazu aber unten mehr.

Das Liv Intrigue E+1Pro

Bei einem Frauen e-MTB darf es etwas mehr als Farbe sein!

Wie bereits in der Bikevorstellung zum Intrigue E+ gesagt, empfinde ich Produkte, die nur aufgrund ihrer Farbgebung oder ihres Designs als Frauen-Version betitelt werden, oftmals als Mogelpackung. Bei Liv ist das anders. Liv ist das einzige Unternehmen, das Bikes ausschließlich für Frauen herstellt und dabei explizit auf die Bedürfnisse von Frauen achtet. Dafür wurden in aufwändigen Verfahren die Körpermaße vieler Frauen verglichen, um daraus die optimalen Durchschnittsmaße für jede Rahmengröße zu ermitteln. Das Ergebnis sind nicht nur angepasste Rahmengrößen, sondern ganz spezifische Geometrien und Komponenten der Berührungspunkte (Griffe, Lenker, sattel). Das Ergebnis zeigt sich in einer optimierten Sitzpositionen und mehr Fahrspaß!

Das Fahrgefühl – auch für kleine Frauen ein Erlebnis

Einer der Vorteile, wenn Bikes speziell für Frauen entwickelt werden, ist sicherlich das Spektrum der Rahmengrößen – und genau hier hat Liv mir meinen Herzenswunsch erfüllt – ein Bike, das mir passt! Mit meinen 1,63 cm Körpergröße und – sagen wir mal nicht langen Beinen – bin ich bisher eigentlich nur Bikes gefahren, die mir nicht zu 100% gepasst haben. Das Intrigue E+ ist aber auch in der Rahmenhöhe XS verfügbar und das Gefühl, schnell mit den Beinen (und zwar mit beiden!) auf die Erde zu kommen, ohne ständig darauf achten zu müssen, wohin der Weg abfällt oder wo sich Kuhlen im Boden befinden, um in unaufmerksamen Momenten nicht umzukippen, ist wirklich fantastisch! 

Jenny auf dem Trail im Wald mit Liv Intrigue E+

Auch während der Fahrt habe ich mich einfach Pudelwohl auf dem e-MTB gefühlt. Das Bike lag kompakt unter mir, es war unwahrscheinlich leicht zu navigieren und enge Kurven habe ich sehr viel sicherer genommen als auf anderen e-Mountainbikes. Gefühlt habe ich dies das erste Mal auf meiner Hausrunde, wo es auf einer leichten Abfahrt in engen Kurven Bäume zu umkreisen gilt. Auf dem Intrigue E+ habe ich mich getraut, diesen Slalom in voller Geschwindigkeit zu nehmen ohne vor dem ersten Baum leicht anzubremsen. Ein Bike, das zu dir passt gibt dir unwahrscheinlich viel Sicherheit und macht jede Tour zu einem besseren Erlebnis – auch für dein Ego!

Ansprechverhalten und Fahrgefühl des SyncDrive Pro

Ich war zunächst etwas skeptisch, da mir der alte SyncDrive, basierend auf dem PW-X von Yamaha, doch zu unsensibel war und speziell der Tretwiderstand hat mich abgeschreckt. Der neue SyncDrive Pro (basierend auf dem PW-X2) hat mich allerdings eines besseren belehrt.  Zwar bin ich erst durch den Motor zum Mountainbiken gekommen, bin aber keine Fahrerin, die sich komplett vom Motor tragen lässt. Auf ebenen Strecken fahre ich gerne komplett ohne Unterstützung und möchte eigentlich immer meine Beine spüren, weshalb ich die Unterstützungsstufen immer so wähle, dass ich selber viel Kraft reingeben muss. Der SyncDrive Pro im Liv Intrigue E+ erfüllt diese Anforderungen sehr gut. Nicht nur auf meinen Trailfahrten, sondern auch auf der gemeinsamen Tour mit nicht motorisierten Fahrern bin ich sehr häufig ohne Unterstützung gefahren – der Tretwiderstand ist minimal und für die geübten Muskeln auf ebener Strecke kaum wahrnehmbar. 

Jenny fährt das Liv Intrigue E+

Das Ansprechverhalten des Motors ist wahnsinnig schnell und die Zugabe der Power erfolgt sensibel – eigentlich alles, was man sich bei einem e-MTB Motor wünscht! Positiv aufgefallen ist mir auch das Ansprechverhalten in den höchsten Modi (Sport & Power). Diese Unterstützungsstufen meide ich in der Regel und schalte sie nur hinzu, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Denn in vielen Antriebssystemen sind diese Modi einfach nur brachial, ohne die nötige Sensibilität aufzuweisen, anders der SyncDrive Pro. Er gibt wahnsinnig viel Power, der Motor zieht aber weder nach, noch prescht er unkontrolliert nach vorne. Die Kraft entwickelt sich zwar sehr schnell, aber nicht so schnell, dass der Fahrer davon überrascht wird. Gerade auf steilen technischen Uphill-Passagen ist dies definitiv von Vorteil. Auch wenn es hier auf losem Untergrund schnell passieren kann, dass das Hinterrad die Traktion verliert und durchdreht. Weiß man aber um diesen Umstand, kann man sich darauf einstellen und mit den Modi spielen.

Testfahrerin Jenny auf dem Trail mit dem Liv Intrigue E+

Auf keiner meiner Fahrten, weder auf den 1.000 Hm den Brocken hinauf, noch auf langen, teilweise 70 Kilometer Offroad-Touren – bei unterschiedlichen Temperaturen (von 15°C-27°C) hat der Motor irgendwelche Ausfallerscheinungen gezeigt. Ein weiterer positiver Aspekt: Das Antriebssystem startet schnell und spuckt auch keine Fehlermeldung aus, wenn man während des “Hochfahrens “ bereits losfährt und Druck auf die Pedale ausübt.

GiantSyncdrive Motor am Liv Intrigue E+

Die Unterstützungsstufen

  • Off: super zu Pedalieren 
  • Eco: überbrückt gefühlt den Motorwiderstand – genial, wenn man selber etwas mehr Power reingeben will
  • Basic: gibt dezent Kraft dazu, viel genutzt an langen Steigungen. Wurde die Steigung doch zu lang, habe ich in den
  • Active Modus gewechselt. Dieser bietet eine sehr natürliche Unterstützung, ohne zu weit nach vorne zu preschen, lässt mich aber bereits die Steigung ohne Probleme hinauf fliegen
  • Sport: habe ich kaum genutzt, da ich gerne noch selbst etwas Anstrengung hineingebe. Lediglich wenn ich mit den Kräften am Ende oder die Steigung zu brachial war, habe ich den Power Mode genutzt. Volle Kraft voraus – draufsetzen, treten und tragen lassen! Einzig bei losem Untergrund neigt das Hinterrad dazu, durchzudrehen. Dies mag am Reifen liegen oder aber auch an dem wahnsinnig schnellen Ansprechverhalten des Motors, der so schnell reagiert und im Power Modus so viel Kraft gibt, dass der Reifen überhaupt keine Traktion aufbauen kann. Weiß man aber um diesen Umstand, kann man gegensteuern, indem man an der Steigung erst in den Powermode schaltet, wenn der Reifen bereits Traktion hat.
Nahaufnahme Jenny auf dem Liv Intrigue E+

Sind 500 Wh ausreichend?

Gefahren bin ich das Intrigue E+ 1 Pro mit einem 500 Wh Akku, wobei es das Bike in dieser Ausführung auch mit 625 Wh Akku gibt. Für mich waren die 500 Wh aber perfekt, denn durch meine Präferenz der unteren Unterstützungsstufen komme ich eigentlich auf nahezu jeder Tour damit aus und habe zusätzlich weniger Gewicht unter mir als mit dem großen Akku. Während der Fahrt fällt dieses Zusatzgewicht auf einem e-Bike natürlich nicht so sehr auf. Wenn es aber gilt, das Bike über große Felsblöcke oder umgestürzte Bäume zu tragen, bin ich froh über jedes Kilo weniger. Und auch dann, wenn ich das Intrigue E+ nach einer anstrengenden Tour wieder in den ersten Stock tragen muss.

Zusammenfassend gesagt ist der Akkuverbrauch mit dem SyncDrive Pro sehr solide. Nachdem ich mich an den Verbrauch gewöhnt hatte, konnte ich mich sogar mit einem halben Akku auf die normale Feierabend-Tour wagen, ohne Angst haben zu müssen, den letzten Berg ohne Akku bestreiten zu müssen. Als Beispiel: Nach einer 60 Kilometer langen Tour bei etwa 20°C und 1030 Höhenmetern blieben mir noch immer 2 Akkubalken übrig. Natürlich ist hier auch meine Fahrweise zu berücksichtigen, die sich auf dieser Tour etwa wie folgt zusammensetzte:

  • Off: 10%
  • Eco: 50%
  • Basic: 25%
  • Sport & Power: 15%
Hand entnimmt Akku am Unterrohr des Liv Intrigue E+

Im Vergleich: Akkuverbrauch in Abhängigkeit von Gewicht und Trittfrequenz

Anzumerken ist hierbei, dass die Zuladung (Fahrergewicht + Gepäck) und die Trittfrequenz eine nicht unerhebliche Rolle beim Akkuverbrauch spielen. Gefahren bin ich meist gemeinsam mit meinem Mann, der das Giant Reign E+ mit gleichem Motor und ebenfalls einem 500 Wh Akku gefahren ist. Der Gewichtsunterschied zwischen uns beiden liegt etwa bei 30 Kilogramm und während ich Trittfrequenzen zwischen 80-90 U/min bevorzuge, wurde das Reign E+ in ungleich niedrigeren Trittfrequenzen bewegt. Das Ergebnis: Ich hatte nach wirklich jeder Tour mindestens zwei Akkubalken mehr Restreichweite (meist sogar noch mehr) und somit konnte ich kleinere Touren auch ohne einen weiteren Ladezyklus fahren.

Testfahrerin Jenny macht Sprung auf dem Liv Intrigue E+

Das Intrigue E+ auf dem Trail – was kann das Frauen e-MTB?

Wenn man denkt, mit einer hübsch glänzenden Flick-Flack Lackierung und einer an Frauen angepassten Geometrie hat Liv bereits genug getan, um dieses Bike attraktiv für Touren- und Trail e-MTBlerinnen zu machen, ist das weit gefehlt! Das Intrigue E+ ist ein Wolf im Schafspelz! Auf leichten Flowtrails kommt das Bike trotz der “kleinen” 27,5” Laufräder schnell auf Geschwindigkeit, lässt sich auch bei vollem Speed noch sehr leicht durch kleinste Veränderungen der Sitzposition lenken und fegt über Unebenheiten hinweg, die höchstens auffallen, wenn man sie zum Absprung nutzt.

Das Intrigue E+ ist sehr agil und die 24 Kg Systemgewicht fallen weder im Up- noch im Downhill auf. Auf etwas anspruchsvolleren Strecken hatte ich zunächst das Gefühl, das Fahrwerk zu weich eingestellt zu haben. Nach mehrfacher Kontrolle wurde mir aber klar, dass der Dämpfer in Kombination mit dem Maestro Hinterbau sehr absorbierende Eigenschaften hat, was verblockte Passagen oder Sprünge zu einer wahren Freude macht. Schneller als man denken kann, fliegt man mit dem Intrigue E+ durch die Kurven, manövriert sich und das Bike durch Wurzelpassagen und findet fast von alleine die richtige Linie durch verblockte Steinuntergründe – fast als hätte man den Bodenkontakt verloren und würde einfach über den Trail gleiten!

Seitliche Aufnahme Trail mit dem Liv Intrigue E+

Ein weiterer positiver Aspekt der Kombi Dämpfer-Hinterbau ist, dass sich die 140 mm am Heck nach weitaus mehr anfühlen! Gespürt habe ich dies extrem auf einer sehr verblockten Abfahrt den Brocken herunter – der schnelle Wechsel von unterschiedlichen Felshöhen und den notwendige Sprüngen um kleine Drops zu überbrücken, hat das Intrigue E+ sagenhaft gemeistert. Im Intrigue schlägt eben doch ein kleines Enduro-Herz –  eben eine Alleskönnerin

Konzentrierte Fahrt auf dem Trail mit dem Liv Intrigue E+

Mein Fazit zum Liv Intrigue E+ 1 pro 2020

Das Intrigue E+ ist ein universell einsetzbares e-Mountainbike, das auch unerfahrenen Fahrerinnen viel Sicherheit gibt. Egal, ob ihr lange Touren mit kleinen Trailabschnitten bevorzugt oder euch auf anspruchsvollen Trails beweisen möchtet: das Intrigue E+ ist dafür gewappnet. Die Geometrie, die Sitzhaltung und das Maß an Kontrolle über das Bike fühlen sich vom ersten Moment absolut richtig an. Ich hatte wirklich viel Spaß mit der kleinen Alleskönnerin und das Bike hat mich Tour für Tour immer wieder überrascht und mir darüber hinaus auch geholfen, mich selbst zu überraschen.

Die Möglichkeit, selbst in der Rahmenhöhe XS eine Trinkflasche (wenn auch eine kurze) auf dem Unterrohr zu befestigen, sollte nicht unerwähnt bleiben und die Lackierung habe ich bereits in der Bikevorstellung ausgiebig gelobt. Allerdings finde ich das Intrigue E+ für ein Frauen e-MTB doch recht klobig, was sich aber auf die vergleichsweise großen Maße des SyncDrive Antriebssystems zurückführen lässt – hier gefallen mir andere Bikes optisch besser. Hey, aber wenn man die Wahl zwischen Optik und Performance hat – was würdet ihr wählen? Richtig, die Performance!

Wenn Liv es zukünftig schafft, Motor und Akku noch subtiler in das Bike zu integrieren, habe ich nichts mehr auszusetzen. Ein tolles e-MTB, das ich auf eine tolle Tour mitnehmen durfte, auf der ich nicht nur viel über das Bike, sondern auch über meine eigenen Fahrkünste gelernt habe.

Kurze Ausschnitte vom Liv Intrigue E+ 1 Pro 2020 auf dem Trail

YouTube Thumbnail Jenny auf dem Liv Intrigue E+