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Die Spezifikationen des Focus Jam² 7.8 im Überblick
Die Jam2 Reihe von Focus ist mir bereits vertraut, wenn nicht sogar ein wenig ans Herz gewachsen. Im letzten Jahr bin ich einige Monate ein Jam2 6.8 gefahren und habe es in guter Erinnerung behalten. Nun bin ich gespannt, wie sich das Focus Jam2 7.8 im Vergleich schlägt. Die 7-er Serie hat nicht nur einen Rahmen mit veränderter Geometrie, sondern trumpft nun mit einem Shimano EP8 Motor mit großem 720 Wh Akku auf.
- Motor: Shimano Steps EP8, 85 Nm
- Akku: 720 Wh
- Display: Shimano SC-E5003
- Schaltwerk + Schalthebel: Shimano SLX M7100 12- speed
- Gabel: Rock Shox 35 Gold RL 29 Boost, 150 mm
- Zahnkranz: Shimano Deore 12- speed
- Dämpfer: Rock Shox Deluxe Select, 150 mm
- Rahmen: Aluminium, F.O.L.D. GEN2 kinematics, Flip Chip
- Bremsen: Shimano MT520, hydraulische 4-Kolbenbremse, Disk 203 mm, vorne und hinten
- Reifen: Maxxis Minion DHF, 63-622
- Gewichtsfreigabe: bis 150 kg
- Gewicht: 25 kg
- Farbe: blue-green
- Preis: UVP 5.399 €
Mein erster Eindruck vom e-Mountainbike
Auf dem noch leeren Parkplatz einer Almgaststätte zollt uns der Wirt am kalten Wintermorgen seinen Respekt, weil wir bei Temperaturen um die 0 C° eine e-Mountainbike Tour starten. Auf 1000 MüM im Südschwarzwald erhalten wir ein kurzes Kopfnicken mit wohlwollendem Blick als Signal der Anerkennung.
Die Farbe Blue-Green strahlt im schummrigen Winterlicht wie ein kostbares Juwel und gefällt mir ausgesprochen gut. Die Verwendung größerer Akkus stellt die Hersteller beim Rahmendesign vor echte Herausforderungen. Nicht immer ist die Umsetzung optisch ansprechend. Focus hingegen hat den neuen 720 Wh Akku beim Jam2 7.8 sehr gelungen integriert. Dank seiner langen und schmaleren Bauweise wirkt das Unterrohr eher filigran als wuchtig. Der Akku lässt sich nach unten entnehmen, wie man es schon vom Specialized Turbo Levo kennt. Gemeinsam mit dem kompakten Shimano EP8 Motor entsteht eine schlanke Optik. In der Klasse der 85 Nm Power-Motoren und +700 Wh Akkus ist das keine Selbstverständlichkeit.
Die neue Dämpferanlenkung am Oberrohr ist optisch gut integriert und schafft zusätzlich Platz für eine große Trinkflasche. Der Radstand ist mit 126 cm in Rahmengröße L rund 4 cm länger geworden, als beim 6.8. Obwohl der Shimano EP8 Motor rund 300g leichter ist als der Bosch CX im 6.8, sorgt der nun von 625 Wh auf 720 Wh gewachsene Akku für eine leichte Gesamtgewichts-Zunahme. In Anbetracht des Reichweitenzugewinns dürfte dies aber für die meisten ein guter Deal sein. Auf zur Probefahrt!
Die Probefahrt kann beginnen
Wir starten auf 1000 MüM und haben die höchsten Berge des Südschwarzwaldes vor uns. Auf einem schönen Naturtrail geht es zunächst stetig bergauf. Das Focus Jam2 7.8 ist zum Preis von 5.399 € das Einstiegsmodell in der Siebener-Jam2-Reihe bei Focus. Die Ausstattung ist etwas puristischer gehalten, als bei den Top Modellen 7.0 und 7.9. So ist die SC-E5002 Anzeige am Lenker nur monochrom. Dennoch demonstriert es die wichtigsten Information wie Ladezustand, Geschwindigkeit, Reichweite in Kilometern, Distanz oder Tagesstrecke und lässt einen die drei Unterstützungsstufen ECO, Trail und Boost anwählen. Praktisch ist die USB-C Ladebuchse beim Ein/Aus-Schalter am Oberrohr. Wer sein Mobiltelefon zur Navigation benutzt, wird dies zu schätzen wissen.
Shimano EP8: klein, leicht und leise
Der Shimano EP8 macht bei unserem ersten Anstieg mit ordentlich Drehmoment eine gute Figur und geht wie “Schmitz’ Katze”. Unter Last schnurrt er deutlich hörbar, dennoch nicht lauter als man es vom Bosch CX gewohnt ist. Fährt man mit einer Trittfrequenz von ca. 75 bis 95 Umdrehungen, steht der EP8 leistungsmäßig auf einer Höhe mit dem Platzhirsch von Bosch.
Ein großer Vorteil des EP8 dürfte die überaus kompakte Bauform sein. Er ist der leichteste und kleinste Antrieb unter den Power-Motoren. Daraus resultieren beim Focus Jam2 7.8 einige Zentimeter mehr Bodenfreiheit als bei e-Mountainbikes mit größeren Aggregaten. Dies macht sich beim Überrollen von Hindernissen wie Felsen, oder kleineren Baumstämmen bemerkbar. Es besteht weniger Gefahr, mit einem Pedal oder dem Motor aufzusetzen und verschafft damit gleichzeitig mehr Sicherheit im Sattel. Auch ich koste diesen Vorteil aus: Die Forstwirtschaft war zugange und hat den Boden des Waldabschnittes voller tiefer Furchen und gespickt mit Ästen und größeren Steinen hinterlassen. Kein Problem für das 7.8.
Von klebenden Reifen und Klettereigenschaften
Wie feiner Puderzucker glitzert eine dünne Schicht Pulverschnee auf dem Boden. Die Maxxis Minion DHF Reifen garantieren guten Grip und bieten auch unter nasskalten Bedingungen ein Sicherheitsgefühl. Die Geometrie mit dem langen Radstand und dem 76° steilen Sitzwinkel sorgt für ausgezeichnete Klettereigenschaften. Das Vorderrad klebt schön am Boden, auch als ich eine steile Rampe erklimme, die zum nächsten Trail führt. Nach einiger Zeit machen Wanja und ich den ersten Zwischenstopp auf einem Aussichtspunkt mit Blick zum Belchen und bis weit hinunter ins Rheintal und zu den Vogesen. Wir üblich nutzen wir diese Gelegenheit für ein kleines Foto- und Videoshooting, bevor wir uns auf die erste Abfahrt begeben.
Fahrspaß und Sicherheit des Focus Jam² 7.8 bergab
„Länge läuft“ heißt es gemeinhin. Dies trifft auch auf das Focus Jam2 7.8 zu. Mit dem Absenken der Teleskop-Sattelstüze kommt der Fahrspaß augenblicklich. Das e-Bike hat einen flachen Lenkwinkel von 65,5°. Per Flip Chip ließe sich dieser um weitere 0,5° reduzieren. Werte, die noch vor wenigen Jahren Enduro-Bikes hatten.
Dank des langen Radstands bewegt sich das Jam2 äußerst gutmütig und sicher bergab. Trifft man eine Linie mal nicht ganz, ist dies kein Problem. Die optimierte F.O.L.D.-Kinematik garantiert ein sensibles Ansprechverhalten des Fahrwerks. 2.6 Zoll breite 29er Laufräder bügeln in Kombination mit dem 150 mm Fullsuspension-Fahrwerk alles platt, was in den Weg kommt.
Auch die Shimano MT520 4-Kolbenbremsen mit großen 203 mm Scheiben lassen keine Wünsche offen. Sie geben klare Rückmeldung, lassen sich feinfühlig dosieren und geben sich bei Bedarf ausreichend bissig.
Charakter und Fahreigenschaften
Mit seiner soliden Ausstattung bietet das Focus Jam2 7.8 auch für weniger fahrtechnisch Erfahrene viel Fahrspaß und Sicherheit. Ich kann mir das 7.8 auch gut auf angelegten Flow-Trails vorstellen, die mit Anliegern, Wallrides oder kleineren Sprüngen flüssig fahrbar sind. Die Sprungfreigabe ist Kategorie 4 (bis 110 cm maximale Höhe).
Auf Naturtrails mit engen Spitzkehren wird der längere Radstand und das höhere Gewicht etwas zum Nachteil. Dann bedarf es einer sauberen Fahrtechnik, um das Bike „ums Eck“ zu bekommen. Wanja fährt bergab mit dem Jam2 7.8 durch eine enge Kurve, um anschließend im Wheelie wieder bergauf zurückzukommen und zeigt mir gleich mal eindrucksvoll, dass das auch mit einem 25 kg Bike geht. Dann gibt es wohl keine Ausreden mehr.
Im Spannungsfeld zwischen Laufruhe und Verspieltheit liegt der Schwerpunkt des Focus Jam2 7.8 eher auf Ersterem. Wanja (193 cm) und ich (183 cm) tendieren persönlich zu einem M-Rahmen, um ein etwas kürzeres, verspielteres Bike zu erhalten. Die für dich passende Rahmengröße lässt sich jedoch am besten bei einer Probefahrt beim lokalen Händler herausfinden.
Schließlich kommen wir runter zum Kreuzweg und nutzen die Skipiste entlang des Lifts für den nächsten Aufstieg. Wanja sagt lapidar „e-MTBs sind halt schon sehr nice“, als wir mit einem Grinsen im Gesicht die Skipiste erklimmen. Am Skilift-Start angekommen wollen wir das Focus Jam² 7.8 nochmals auf Herz und Nieren testen – im Downhill sowie im Uphill. Ein schmaler Pfad führt auf der Rückseite über eine Wiese extrem steil bergab Richtung Münstertal.
Fahrwerk und Setup unter der Lupe
Focus betont die neue, verbesserte Kinematik des e-Bikes mit mehr Progression. Den Sag (Negativfederweg) habe ich bei der Rock Shox Gold Gabel auf 20 % eingestellt und beim RockShox Dämpfer auf gut 25 %.
Ich selbst bin Genussfahrer, das “Ballern” überlasse ich lieber den jungen Wilden. So stürzt sich Wanja, der bereits Enduro-Rennen gefahren ist, mit Speed in die Tiefe, sodass es mir nur vom Zuschauen den Atem raubt. Unten angekommen hat der RockShox Dämpfer noch 3-4 mm ungenutzten Restfederweg, das Setup passt also ganz gut. Die 150 mm Rock Shox 35 Gold-Gabel kam beim Eintauchen in einer Senke auf Anschlag, obwohl Wanja nur 70 kg wiegt. Racer oder schwerere Fahrer werden wohl die Federkennlinie mittels Spacer progressiver abstimmen. Wer langsamer unterwegs und nicht allzu schwer ist, profitiert beim Werks-Setup von einer guten Ausgangsbasis mit viel Komfort.
Die zweite Challenge steht bevor: Der Uphill. Bei unserem ersten Versuch, den gleichen Pfad, den Wanja gerade runtergefahren war, wieder hochzufahren, scheitern wir beide an einer bestimmten Stelle. Sie ist zu steil und irgendwie kommen wir mit dem EP8 nicht ganz in die optimale Kadenz für maximale Leistung. Vom Gefühl her ist ein Bosch CX bei niedriger Trittfrequenz minimal stärker. Beim zweiten Versuch hat Wanja den Dreh raus und schafft den Anstieg. Man braucht einfach etwas mehr Speed vor der Schlüsselstelle.
Auf einem Trail mit reichlich Wurzelteppichen fahren wir bergab zurück zur Kälblescheuer. Pulverschnee und überfrorene Wurzeln können heimtückisch sein. Mit dem Focus Jam2 7.8 fühle ich mich aber so sicher als würde ich das Bike schon ewig fahren. Das ist ein gutes Zeichen und ein Garant für mächtig Fahrspaß.
Mein Fazit zum Focus Jam² 7.8 im Test
Das Bike gefällt nicht nur optisch, sondern überzeugt auch mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. In dieser Preisklasse darf man keine High-End Komponenten erwarten. Sie erfüllen ohne Umschweife jedoch all ihre Funktion. Wer mehr benötigt, kann immer noch zum Jam2 7.9, oder 7.0 greifen.
Das Gesamtkonzept des 7.8 ist in sich stimmig. Beachtenswert ist auch die Gewichtsfreigabe bis 150 zu kg. Schwerer gebaute e-MTB-Fans werden dies genauso zu schätzen wissen, wie den großen 720 Wh Akku.
Wer ein E-All Mountain mit viel Power, großem Akku und Laufruhe sucht, das besonders bergab viel Sicherheitsreserven bietet, liegt mit dem Jam2 7.8 genau richtig. Wem 625 Wh genügen und wem eine weniger flache Geometrie in Kombination mit dem Bosch CX zusagt, kann auf die 6er Jam2-Reihe zurückgreifen. In jedem Fall lohnt sich eine Probefahrt beim Focus-Fachhändler des Vertrauens. Herzlichen Dank an die e-Bike Experten der e-motion e-Bike Welt Freiburg Süd, für die Bereitstellung des Testbikes.
Euer Belchenradler,
Christof Steier