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Welche Komponenten hat das Focus Jam² 6.9?
Im aktuellen Modelljahr hat Focus einen neuen Sprössling auf den Markt gebracht, der sich zwischen den bisherigen Modellen und dem Enduro Sam² positioniert und quasi der große Bruder ist. Dabei bleibt die Geometrie ähnlich zu den Allmountain-Geschwistern, aber die Anbauteile sind eher für den Teil der Ausfahrt ausgelegt, der vom Gipfel talwärts führt: stabilere Fox-Gabel mit 36-er Standrohren, 29er Magic Mary Reifen in der super-griffigen Soft-Version, massiver Race-Face-Lenker mit 35 mm Durchmesser und große 200er Bremsscheiben vorne und hinten, die mit der bewährten 4-Kolben XT-Bremse kombiniert werden.
Geschaltet wird mit einer sortenreinen Shimano XT 12-fach Schaltung und auch die obligatorische Vario-Stütze von Kindshock ist mit an Bord. Ein großer Bosch Akku mit 625 Wh sorgt für genügend Reichweite und Höhe. Der oben erwähnte Bosch Performance CX Gen4 treibt das Jam² 6.9 so richtig an. Auf dem Papier also ein sehr stimmiges Paket, das viel Trail-Spaß verspricht. Aber hält das Versprechen auch in der Realität an?
Das F.O.L.D Fahrwerk: Eine Kombination aus Sensibilität und Widerstand
Kurz gesagt: ja! Und wie sie das Versprechen halten! Die erste Sitzprobe fällt schon sehr angenehm aus. Man sitzt nicht zu extrem und relativ aufrecht auf dem Rad, hat aber immer genügend Druck auf dem Vorderrad. Die Geometrie geht keine großen Experimente ein. Mit ca. 65 Grad Lenkwinkel und einem relativ moderaten Reach in Größe M ist das Jam² 6.9 nicht sehr extrem gezeichnet. Einzig der Sitzwinkel ist mit etwa 75 Grad relativ flach. Man muss an sehr steilen Stichen das Gewicht etwas nach vorne verlagern. In der Praxis ist das aber absolut nicht störend und wirklich erst bei Steigungen jenseits der 25% spürbar.
Mit über 25 kg ist das Bike kein Leichtgewicht. Doch einmal auf Tempo gebracht, lässt es sich auch mit geringer Unterstützung und im Flachen auch ganz ohne Unterstützung gut pedalieren. Der CX Motor der neuen Generation ist dabei ohne Tretwiderstand zu fahren. Bergauf macht der Bosch mit seinen 85 Nm mächtig Dampf. Er verfügt über die gewohnten vier Unterstützungsstufen, inklusive dem genialen E-MTB Modus, der vor allem auf technischen Passagen aufwärts durch die feine Sensorik und die schön lineare Kraftentfaltung glänzt. Dabei zieht er kräftig von unten raus und es geht ihm auch bei sportlichen Kadenzen nicht die Kraft aus.
Die Geräuschkulisse des Motors ist mit einem hochfrequenten Surren nicht zu überhören. Wurzeln, Steine und andere Hindernisse werden durch das tolle Fahrwerk mit FOLD-Kinematik einfach überrollt. Man verliert kaum den Bodenkontakt und kann auch in echten Rumpelpassagen am Rad sitzen bleiben, ohne Rückenschäden zu riskieren. Auch Spitzkehren sind kein Problem, man merkt zwar etwas das hohe Gewicht, aber trotzdem bleibt das Bike bergauf wie bergab erstaunlich agil und spritzig. Sollte man einmal ob des Geländes aus dem Sattel müssen, hilft die neue verbesserte Schiebehilfe mit, Felsen und Stufen zu überwinden.
Abfahrt für Abfahrt reinster Fahrspaß
Einmal oben auf dem Gipfel angekommen schlägt aber die eigentliche Stunde des Jam² 6.9: Sattelstütze runter, mit ein paar kräftigen Tritten das Rad auf Zug gebracht – und schon lässt man es auf dem Trail richtig krachen! Dabei gibt sich das Bike sehr laufruhig, das Fahrwerk bügelt kleine Schläge sehr sensibel weg und lässt sich auch nicht durch große Brocken in Verlegenheit bringen. Zwar fehlt die Möglichkeit der Feinjustierung, wie bei den noch besseren FOX-Fahrwerken, und auch einen Ausgleichsbehälter am Dämpfer sucht man vergeblich. Aber durch die gelungene Geometrie und die sehr gute Kinematik fällt das nicht ins Gewicht. Das Jam ist bergab eine echte Rakete, der limitierende Faktor ist in 90 % der Fälle sicher der Pilot!
So fliegt man förmlich Richtung Tal, nimmt kleine Geländekanten dankbar als Absprungrampen mit und freut sich auch im verwinkelten Gelände über ausreichend Agilität. Auch das relativ hohe Gewicht ist dabei kein Spaßverderber. Die XT-Stopper mit großen Rotoren sorgen immer für die nötige Verzögerung. Viel zu schnell unten angekommen, wünscht man sich mit einem breiten Grinsen gleich die nächste Abfahrt her.
Das Fazit zum Focus Jam² 6.9
Mit dem neuen Jam² 6.9 ist Focus also eine Spaßmaschine erster Güte gelungen, die noch universeller einsetzbar ist, als die bisherigen Jam²-Modelle. Von der gemütlichen Feierabendrunde bis zur Alpenüberquerung ist dabei alles möglich und auch gelegentlichen Besuchen im Bikepark steht nichts im Wege. Einziger Kritikpunkt ist der doch sehr scharfkantige Sattel, den ich persönlich tauschen würde. Ansonsten spielt das Jam² 6.9 alle Stücke. Ein Top Bike mit einem sehr breiten Einsatzgebiet, das vor allem bergab seine Stärken auszuspielen weiß.