Antritt: Fahren mit der Bosch Performance Line

Der neue Bosch Motor in der Praxis

Im vergangenen Sommer auf der ISPO Bike 2013 in München wurde erstmals der neue Bosch Motor aus der Performance Line vorgestellt. Zwischenzeitlich sind die ersten Serienbikes mit diesem Motor verfügbar. In diesem Zusammenhang wollen wir euch einmal kurz unsere Erfahrungen aus dem harten Praxiseinsatz schildern und dabei etwas näher auf die Fahreigenschaften eingehen. Der neue Mittelmotor von Bosch wurde von Grund auf neu konstruiert und ist in zwei Versionen, der Activ- und der Performance Line verfügbar. Für den sportlich ambitionierten Pedelec Biker ist das Aggregat aus der Performance Line sicherlich die interessante Variante, da diese mit bis zu 400 Watt Spitzenleistung und 60 Nm Drehmoment das Pedalieren unterstützt. Aktuell hatten wir die Möglichkeit den neuen Bosch Motor in einem Cube Stereo Hybrid 140 SL zu fahren und dabei einige Erfahrungen zu sammeln.

Inhaltsverzeichnis

Voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten

Bauform

Der Motor hat die Form eines Eis und ist hängend an eine spezielle Rahmenkonstruktion mit drei Schrauben befestigt. Das eigentliche Motorgehäuse ist von einer bruchsicheren Kunststoffverschalung umgeben, welches zum einen einer optischen Aufbereitung dient, zum anderen aber auch einen gewissen Schutz vor mechanischen Einflüssen mit sich bringt. 

Im Inneren arbeiten zwei Achsen, welche über eine mechanische Verbindung unter Berücksichtigung einer elektronischen Regelung ineinander greifen. Eine Welle bildet die Pedalachse, eine weitere die Verbindung zum Elektromotor. Die Pedalachse ist hierbei noch von einer weiteren Hohlachse umgeben, die in Verbindung mit dem 2,5-fach schneller drehenden Kettenblatt steht. 

Soviel zur groben Betrachtungsweise des neuen Motorsystems. Wer sich für die Details interessiert kann sich die frei zugänglichen Patentschriften ansehen.

Praktische Erfahrungen und das Fahrgefühl

Zu Beginn einer jeden Bergtour steht natürlich das bergauf Fahren. Um es zunächst locker angehen zu lassen, wähle ich die kleinste Unterstützungsstufe ECO. Diese ergänzt die eigene Pedalkraft mit zusätzlichen 50% Motorleistung. Ich bewege mich auf einer Steigung mit etwa 5% und um die 12 km/h zügig fort. Der erste Anstieg verläuft dabei konstant über 2 km.

Bereits hier ist zu spüren, wie flüssig der Motor sein “dazutun” über das kleine 15 Zähne zählende Kettenblatt auf die eigene Pedalkraft überträgt.

Dann geht es weiter in einen kurzen steileren Anstieg, durchweichter Untergrund erfordert einen größeren Kraftaufwand und um die Pulsfrequenz nicht explodieren zu lassen schalte ich etwas mehr Unterstützung zu. Bei Stufe TOUR mit 110% zusätzlicher Unterstützung lässt sich dieses Stück auch mit zeitweise abreisender Traktion ohne Stop meistern. Im Wiegetritt macht sich der Vorteil des kleinen, im Vergleich zur Kurbelfrequenz 2,5-fach schneller drehenden Kettenblatts, positiv bemerkbar. Denn gerade beim Übergang vom einen auf das andere Pedal überbrückt der neue Motor durch seinen minimalen Nachlauf den Totpunkt und unterstützt so einen runden Tritt.

Auf der ersten Zwischenhöhe angekommen geht es jetzt auf einer Waldautobahn ohne größeren Anstieg weiter. Um zu sehen wie sich der Motor ohne Unterstützung fährt schalte ich diesen über die Bedieneinheit aus. Im ersten Moment stellt sich das Gefühl ein, dass doch irgendetwas den Vortrieb “bremsen” muss. Doch es gilt nicht zu vergessen, dass hier ein 21 kg e-MTB bewegt werden will. Nach einigen hundert Metern gewöhne ich mich an den höheren Kraftaufwand und nehme etwas Tempo raus. Bei guten 20 km/h lässt sich so angenehm in der Ebene fahren, auch ohne Unterstützung.

Der nächste Anstieg beginnt an einem Bauernhof. Um mir diesen doch wieder etwas zu erleichtern schalte ich wieder die kleinste Stufe ECO zu. Das leichte Sausen des Elektromotors scheint den Hund des Hofes mächtig zu irritieren. Lauthals kläffend stürmt dieser auf mich zu, gewillt einen Angriff zur Verteidigung von Haus und Hof zu starten.

Reflexartig schalte ich den Motor aus, denn eigentlich sollte der Hund Biker gewohnt sein, liegt der Bauernhof doch auf einem gut frequentierten Abschnitt. Durch das nun fehlende Surren scheint sich der Hund wieder etwas zu entspannen, zumindest begleitet er mich nun schweigend zum Ende des Hofes. 

Für mich heißt es nun aber kräftig in die Pedale treten, der kleine Anstieg ohne Motorunterstützung bei Schrittgeschwindigkeit erfordert viel Einsatz, dennoch ist es für eine kurze Distanz machbar.

Nach der nächsten Kurve hinter dem Hof schalte ich sofort wieder die Unterstützung zu, dieses mal Stufe Sport mit 170%. So kann ich auch bergauf etwas entspannen und den Puls von seinem oberen Limit wieder in gesündere Sphären treiben. 

Mir scheint, als müssen sich nicht nur traditionelle Biker an ihre neuen motorisierten e-MTB Kollegen gewöhnen, sondern auch das vierbeinige Sensibelchen des Bauernhofs.

Der Trail ist erreicht, die Party kann beginnen

Singletrail ballern, ein Hauptgrund warum mir das e-Mountainbiken so viel Spaß macht. Auf dem Singletrail schalte ich meist in eine der hohen Unterstützungsstufen, also entweder SPORT mit 170% oder TURBO mit brachialen 275%. Vollgas lautet die Devise, dass heißt schnelle Beschleunigung bis 25 km/h oder ein Ritt kaum unter die Unterstützungsgrenze.

Trotz des leichten Gefälles der Strecke strengt das Herunterfahren mindestes genauso an wie der mitunter qualvolle und monotone Anstieg. Gerade bergab ist höchste Konzentration und Reaktion erforderlich, will man ohne Fehler den Ritt durch den “Natur-Spielplatz” gewinnen.

Pedalieren, bremsen, in die Kurve liegen, antreten, springen, vorausschauen, den Boden fühlen, die Strecke kalkulieren und Balanceverteilung  – diese permanent aufeinander folgenden Anforderungen bedürfen einem ruhigen Verstand und einem vitalen Körper. Einen Kreislauf, welcher sich nicht am Limit bewegt – auch hier macht sich die Kraft der Drive Unit Performance positiv bemerkbar. Der Kreislauf bleibt stabil wodurch eine höhere Sicherheit gegeben ist.

Mit Stufe SPORT geht es also nun in die Achterbahn. Kompromisslos beschleunigt der Motor unter zutun der eignen Körperkraft auf Reisegeschwindigkeit. Der relativ tiefe und zentrale Schwerpunkt des Systems, bestehend aus den Hauptkomponenten Akku und Mittelmotor, lassen schnelle Balanceveränderungen zu. Natürlich macht sich das Gewicht im Vergleich zu einem motorlosen Bike deutlich bemerkbar. So muss ich das Bike deutlich aktiver in der Kurven drücken, eine gewisse Massenträgheit ist bei schnellen Manövern ist immer zu spüren. 

Gut gefällt mir die Gewichtsverteilung an diesem Bike, sie ist recht zentral so dass ich bei Sprüngen weniger Gewicht in Richtung Heck nehmen muss. Beim alten e-MTB mit dem Classic Motor hatte ich immer das Gefühl das die Gewichtsverteilung etwas zu frontlastig ist – dies vermutlich durch den höher sitzenden Akku auf der Oberseite des Unterrohrs.

Auf dem Weg kreuzen auch immer wieder kleinere quer liegende Stämme den Weg, diese kann ich dank der guten Bodenfreiheit zwischen Motorverschalung und Gelände einfach überfahren oder schnellen Weges mit einem aktiven Sprung in einem Zug hinter mir lassen.

Wasser und Schlamm sind übrigens meine ständigen Begleiter, auch damit kann das neue System (wie das alte auch) gut umgehen. Trotz intensiver Konfrontation mit diesem Element bleibt alles funktionsfähig und an den wichtigen Stellen, wie etwa dem Kontakt zwischen Akku und der entsprechenden Aufnahme, alles trocken. Besonders lobenswert ist hier das verbreiterte Unterrohr des Cube Stereo Hybrid Rahmes. Dieser nimmt der Akku quasi in sich auf, so dass dieser von der Unterseite und teilweise auch der Seitenwangen geschützt gegen Nässe, Schmutz und Steine ist. 

Am Ende dieser Ausfahrt quittiert mit die Anzeige eine zurückgelegte Strecke von knapp 30 km. Die Umgebungstemperatur betrug etwa 8°C. Dabei waren noch drei der fünf Ladebalken des 400 Wh starken Akkus verfügbar. Genaue Rückschlüsse auf die Effizienz des Performance System lassen sich noch nicht erschließen. Aber es liegt der Verdacht nahe, dass das neue System etwas energiehungriger ist als das alte Modell. 

Sobald es die Bedingungen zulassen werden wir wieder eine unserer legendären Referenzfahrten um die 1000 Hm absolvieren, dabei dann im Video festhalten wie sich der Energieverbrauch im Laufe dieser Tour gestaltet. Somit sollte dann ein Vergleich möglich sein, welcher Rückschlüsse auf die Effizienz gibt.

Sicherlich habe ich nun hier nicht alle Aspekte des neuen Antriebs schildern können. 

Ich denke jedoch, dass die aktuell gesammelten Erfahrungen einen ganz guten Einblick über die Alltagstauglichkeit wiederspiegeln. 

Solltet ihr noch weitere Fragen haben, so stehe ich euch gerne jeder Zeit über die Kommentarfunktion zur Verfügung.